Sie arbeitet mit Ton, als ob es Stoff wäre – gleichzeitig gibt sie Steinen eine neue Form oder lässt aus Eisen Bäume schneiden. Ein Portrait von Simone Haas.
Text: Brigitte Kesselring, Fotos: Jürg Haas
Ihre künstlerische Ader hat bereits ihre Berufswahl bestimmt: Sie studierte Modedesign an der Kunstgewerbeschule in Basel, war danach Modedesignerin in einem grossen Modehauses in Zürich, tourte von Modenschau zu Modenschau und liess sich von den grossen der Modewelt inspirieren.
Danach widmete sie sich voll und ganz ihrer Familie, ihren Kindern, nicht ohne auch diese mit selbst entworfenen und eigenhändig geschneiderten Kleidern auszustaffieren. Zur Kunst kam sie dann eigentlich eher zufällig durch eine Kollegin. Das Arbeiten mit Ton oder anderen Materialien hatte Simone Haas an der Kunstgewerbeschule eigentlich nie gross interessiert. Umso mehr faszinierte sie nun aber das Material Ton, dem sie nach und nach immer mehr textile Gestalt gab. In einem kleinen Atelier in der Zürcher Altstadt – «Klein, verwunschen und ein Traum von einem Atelier», beschreibt sie dieses Gartenhaus mit Werkstatt, wo sie vor über 30 Jahren begann, ihre eigene Technik zu entwickeln, gelegentlich auch Bilder malte und ihren Stil und Weg als Künstlerin fand. Als sie dann zusammen mit ihrem Mann, Architekt Jürg Haas, in der Provence ein Haus entdeckte, das sie zu einem Feriendomizil für die Familie umbauten, war auch der Weg frei für ein grösseres Atelier. Hier konnte sie ihre Technik perfektionieren, begann mit Ton zu arbeiten wie mit Stoff, schuf textil fragile Kunstwerke, von zarten Schalen über drappierte Skulpturen bis hin zu kunstvoll gefalteten Blütenblättern oder zerbrechlich wirkenden Tonrollen. Sie machen deutlich, was die Künstlerin fasziniert: Das Material bis an seine Grenzen auszureizen und damit Neues zu schaffen. Die Faltenwürfe in Ton bedingen schnelles Arbeiten, geschicktes Umgehen mit dem dünnen, schnell zerbrechlich werdenden Tonblatt, das sie aus dem grauweissen Material der Provence gewinnt. Im 900° heissen Ofen werden die Kunstwerke dann gebrannt: «Das Öffnen des Tonofens ist jedes Mal wie Weihnachten,» meint Simone Haas, «denn das Brennen an sich ist Teil des Handwerks, ist ebenso Kunst wie das Modellieren.» Die Brenndauer entscheidet zudem über die Farbe: je nach Eisengehalt des Ausgangsmaterials kann das Endergebnis verschiedenste Schattierungen von Weiss bis Grau, Rot oder Schwarz erhalten.
Vom Ton zum Stein
Grobes gefällt ihr eigentlich nicht und dennoch befasst sich die Künstlerin seit einigen Jahren mit Stein. «Das Arbeiten mit Ton ist ein stetes Aufbauen – im Gegensatz dazu ist die Arbeit mit Stein ein Abbauen, das fasziniert mich.» So haut sie aus Kalksteinblöcken der Provence ihre ästhetisch klaren Skulpturen, reliefartige Fächer, Köpfe oder Kugeln und verbindet sie mit einem weiteren Material, das sie entdeckt hat: Eisen. So setzt eine schlichte Eisenplatte in Verbindung mit einer Steinkugel ein künstlerisches Signal vor dem Eingang oder drei aus Eisen scharf herausgeschnittene Zypressen ragen aus einem Stein- oder Eisenklotz hervor und setzen sich von der weissen Gartenmauer ab. Nein, Schweissen ist dabei nicht ihre Sache: Sie definiert ihre Bäume auf Karton und lässt diese 1:1 Vorlagen von einem Schlosser in der Provence aus Eisen fertigen. Landschaften, Architektur und Umgebung inspirieren die Künstlerin, Formen haben es ihr angetan. Die Abstraktion kommt in Säulen zum Ausdruck, die sie aus Stein und Metall definiert und mit Farbe akzentuiert. So zeigen die Arbeiten von Simone Haas ein Spektrum von poetisch-figürlich bis reduziert-formal. Was sie verbindet ist – neben der prägnanten Eigenständigkeit jedes einzelnen Objektes – eine intensive Ausstrahlung von Ruhe.
Kurse der ganz anderen Art
In ihrem Atelier in der Nähe von Avignon gibt Simone Haas seit bald 20 Jahren Kurse, 2 Mal im Frühjahr, 2 Mal im Herbst, jeweils für maximal 6 Personen. Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer wohnen in den geschmackvoll eingerichteten Ferienwohnungen des Anwesens und lernen hier Ruhe und Erholung auf eine ganz andere Art kennen. «Es ist immer wieder überraschend, wie schnell die Menschen hier loslassen, eintauchen in kreatives Arbeiten, auch wenn sie nie eine künstlerische Ader bei sich festgestellt haben. Jeder weiss intuitiv sehr schnell, was ihm liegt: Das Arbeiten mit Ton oder das Bearbeiten von Stein. Es ist egal, was bei diesem Prozess herauskommt: die Beschäftigung mit dem Material fordert alle auf eine ganz neue Art und Weise heraus, sodass sie alles um sich herum vergessen», stellt Simone Haas mit der ihr eigenen ruhigen Art fest. Kein Wunder kommen viele der Kursteilnehmer immer wieder hierher und selbst manch gestresster Manager hat hier schon einmal die grosse Welt um sich herum vergessen und sich voll und ganz auf die Arbeit mit seinem kleinen Kunstwerk konzentriert – und sich daran gefreut.